Frauen: Wechseljahre meistern

 

„Ich bin in den Wechseljahren, habe Hitzewallungen und auch Stimmungs-

schwankungen. Ich möchte möglichst keine Hormone nehmen. Was kann ich tun?"  fragt Elsbeth M. (52)

 

Hausarzt Dr. Johann Sailer, Lüdenscheid
Die Zeiten, in den sich Frauen von der Vorstellung eines „Hormonmangelzustands" in den Wechseljahren beeinflussen ließen, neigen sich dem Ende zu, meint Sailer. „Einige unter-nehmen gar nichts gegen ihre Beschwerden", berichtet er. „Andere suchen Unterstützung in einer schwierigen, aber natürlichen Lebensphase." Als tief greifend dramatisch empfinden nur wenige das Ende der Fruchtbarkeit.

Es antwortet Dr. Johann Michael Sailer

 

Viele Frauen betrachten die Hormonersatztherapie, so wie Sie, inzwischen kritischer und suchen nach Alternativen. Meist lassen sich Veränderungen, die Frauen in dieser Lebensphase als problematisch empfinden, tatsächlich ohne Hormone bewältigen. Streng genommen sind ohnehin nur Hitzewallungen und Scheidentrockenheit Symptome, die recht eindeutig von der Hormonumstellung im Klimakterium herrühren. Andere scheinbar typische Beschwerden wie Reizbarkeit, verminderte Belastbarkeit oder Schlafstörungen lassen sich aus wissenschaftlicher Sicht weniger eindeutig darauf zurückführen.

 
Aktive Auseinandersetzung hilft oft
Denn die Wechseljahre fallen in ein Alter, in dem viele Frauen einen Umbruch erleben: Die Kinder werden erwachsen, die Beziehung zum Partner, der Beruf oder persönliche Ziele müssen neu definiert werden. Es ist ganz normal, in so einer Phase aufgewühlt zu sein, schlecht gelaunt, melancholisch oder schlaflos. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass es einem großen Teil der Frauen hilft, über ihre Beschwerden zu reden und einen Bezug zu ihrer aktuellen Lebenssituation herzustellen.
Frauen, bei denen es gerade glattläuft, empfinden die hormonellen Veränderungen oft als weniger gravierend. Natürlich macht es auch einen Unterschied, ob sie sich täglich nassgeschwitzt im Beruf vor Kunden präsentieren sollen oder zu Hause arbeiten und es sich möglichst bequem machen können.

 

Individuelle Bedürfnisse berücksichtigen
Die geeignete Behandlung für Ihre Beschwerden ist daher jene, die am besten zu Ihren individuellen Bedürfnissen passt. Lassen Sie sich vom Gynäkologen beraten. Zusätzlich kann Ihnen ein offenes Gespräch mit dem Hausarzt bei der Entscheidung helfen. Er kennt Sie wahrscheinlich seit Langem und kann Ihre persönlichen Umstände gut einschätzen. Zudem beurteilt er Ihre medizinischen Risiken. Diese sind für die Wahl einer Therapie ebenfalls sehr wichtig.

 

Im Folgenden finden Sie Tipps und Denkanstöße zu Themen, mit denen sich Frauen im Alter zwischen 40 und 60 häufig konfrontiert sehen

 

Aufsteigende Hitze
Rund zwei Drittel der Frauen werden im Klimakterium von Hitzewallungen geplagt. Noch vor zehn Jahren hätte fast jeder Gynäkologe ohne große Umstände Hormone verordnet - sie beseitigen das Problem am zuverlässigsten. Wegen des Gießkannenprinzips dahinter hat sich diese Therapie jedoch erledigt, seit große Studien die Risiken ans Licht brachten. Leicht erhöhte Raten von Brustkrebs, Schlaganfällen, Thrombosen und anderen schweren Erkrankungen haben dazu geführt, dass die Hormongabe heute sorgfältig abgewogen wird. Sie kommt nur noch bei starken Schweißausbrüchen in Betracht. Dabei müssen Risiken wie Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen oder erbliche Belastungen bedacht werden. Bei Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, erhöht diese Therapie die Gefahr für einen Rückfall. Sie dürfen keine Hormone nehmen - das sagt die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.
Falls eine Frau sich für Hormone entscheidet, gilt: Die Behandlung sollte so kurz und so niedrig dosiert wie möglich sein - etwa mit Pflastern oder Gel erfolgen. Mehr als ein, zwei Jahre gelten nicht mehr als empfehlenswert. Halbjährlich sollte eine Überprüfung stattfinden.
Alternativen bietet die Pflanzenheilkunde. Medikamente mit Traubensilberkerze können Hitzewallungen mindern. Tees und Präparate mit Salbei wirken zusätzlich gegen Schweißausbrüche. Einigen Frauen helfen homöopathische Komplexmittel. Andere setzen auf Nahrungsergänzungsmittel mit Soja oder Rotklee. Zur Wirkung dieser nichtmedikamentösen Präparate liegen nur wenige Studien vor, sie sind daher umstritten.
Hitzeanflüge lassen sich auch anders angehen: Kühle Waschungen und weitere Kneipp-Anwendungen regulieren den Kreislauf; das gilt auch für Bewegungstraining. In Studien zeigte sich zudem, dass Frauen, die für seelischen Ausgleich sorgen, die Hitze weniger stark empfinden. Überlegen Sie also, wie Sie Ihren Stress mindern oder mit etwas Angenehmem bewusst aufwiegen können.

 

Gefühlsachterbahn
Nach Hitzewallungen sind Stimmungsschwankungen die häufigsten Wechseljahresbeschwerden, mit denen sich Frauen an mich als Hausarzt wenden. Einige fühlen sich erschöpft, nicht mehr wie gewohnt leistungsfähig und niedergeschlagen. Andere bemerken an sich Reizbarkeit oder Nervosität. Das lässt sich selten alles auf die Hormone zurückführen, sondern ist ein Signal: Sie brauchen Zeit für sich - Zeit, um ihr Lebensgefühl, ihre Wünsche und Pläne zu überdenken. Wenn es gelingt, mit Selbstbewusstsein und einer positi¬ven Einstellung in die Zukunft zu schauen, pendelt sich die Stimmung oft wieder ein. Nur abzuwarten ist keine gute Lösung. Dagegen bringen einen Gespräche, gezielte Aktivitäten und neue Aufgaben meist weiter.
Die erste Aktion: mehr und regelmäßige Bewegung. Sport hilft nachweislich gegen Trübsinn und entspannt zudem bei Nervosität. Unterstützend wirkt alles, was einem ein gutes Körpergefühl verschafft, etwa Bürstenmassagen, Saunagänge oder Bäder mit anregenden Zusätzen. Vertieft sich die negative Stimmung und hält einige Wochen an, sollten Betroffene mit dem Hausarzt darüber reden, um eine Depression nicht zu übersehen.

 

Knochenschwund
Östrogene steuern die Kalziumaufnahme im Knochen. Sinkt ihr Spiegel im Klimakterium, nimmt häufig die Knochendichte ab. Im schlimmsten Fall droht Osteoporose - Brüche können die Folge sein. Um diese zu vermeiden, wurden bis vor einigen Jahren oft Hormone zur Behandlung eingesetzt. Heute gelten sie als letzte Therapie-Option - etwa wenn Patientinnen andere Medikamente nicht vertragen.
Jede Frau kann jedoch mit einer ausgewogenen Ernährung selbst etwas für die Knochenstabilität tun - am besten schon vor den Wechseljahren. Vitamin D und Kalzium sind die beiden Substanzen, auf die es dabei ankommt; Vitamin D bei einem erhöhten Osteoporose-Risiko eventuell auch in Tablettenform. Rauchen und sehr viel Kaffee wirken ungünstig auf den Knochenstoffwechsel. Unverzichtbar zur Vorbeugung ist ausreichende Bewegung. Die Belastung kräftigt die Knochen. Doppelt gut: Training im Freien. Es kurbelt zugleich die Vitamin-D-Bildung im Körper an, die vom Tageslicht abhängt.

 

Zyklus- und Harnwegsbeschwerden
Starke Hormonschwankungen sind typisch zu Beginn des Klimakteriums. Heftige oder unregelmäßige Blutungen und Schmerzen - auch in der Brust - können die Folge sein. Solche Symptome sollte der Gynäkologe abklären. Ist alles in Ordnung, gibt es einiges zur Linderung.
Gegen Brustspannen hilft es manchmal, den Konsum an Kaffee, schwarzem Tee und Schokolade einzuschränken. Kalte oder warme Brustauflagen können guttun. Oder Sie vertrauen auf homöopathische Komplexmittel. Starke Blutungen gehören zu den Einsatzgebieten von Präparaten mit Traubensilberkerze. Bei Unwohlsein vor den Tagen und Zyklusschwankungen verweist die Pflanzenheilkunde auf Mönchspfeffer. Schließlich können ein paar Entwässerungstage vor der Menstruation Krämpfen vorbeugen. Auch Magnesium wirkt entkrampfend.
Neben den Zyklusbeschwerden machen Frauen in den Wechseljahren häufig Probleme wie Inkontinenz oder eine erhöhte Anfälligkeit für Blasenentzündungen zu schaffen. Früher wurde dagegen oft eine Hormontherapie empfohlen. Heute weiß man, dass sie die Inkontinenz sogar verschlechtern kann. Es gibt jedoch andere Möglichkeiten. Voraussetzung ist eine sorgfältige Diagnose. Bei wiederkehren¬den Harnwegsinfekten und bei Scheidentrockenheit greifen Ärzte nun auf Östrogengele als unterstützende Behandlung zurück. Scheidentrockenheit lässt sich auch mit Feuchtigkeitsgelen ausgleichen.

 

Schlafstörungen
Dahinter steckt oft innere Unruhe. Wer sich nachhaltig davon befreien möchte, sollte Entspannungstechniken erlernen, etwa die Muskelrelaxation nach Jacobson, Yoga, Tai-Chi oder autogenes Training. Auch eine kritische Prüfung der Schlafhygiene liefert häufig Ansatzpunkte. Eine Rolle spielen Schlafenszeiten, die Essgewohnheiten am Abend, die Tätigkeiten kurz vor dem Zubettgehen und die Zimmertemperatur. Viele Menschen schlafen zu kalt. Schnelle Hilfe bieten Schlaftees oder Arzneien mit Baldrian, Melisse, Hopfen oder Lavendel, bei nervösen Schlafstörungen Mittel mit Extrakten der Passionsblume. Auch ein zehnminütiges Senffußbad (mit zwei bis drei Esslöffeln Senfmehl) kann einen zur Ruhe bringen - bei Krampfadern und offenen Wunden ist es jedoch ungeeignet. Anhaltende Schlafstörungen muss ein Arzt klären.

 

Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin; Foto: W&B/Thomas Pflaum

 

Druckversion
Frauen - Wechseljahre meistern.pdf
Adobe Acrobat Dokument 133.1 KB