Impfen: Kleiner Piks, großer Schutz

 

„Nach meiner letzten Impfung fühlte ich mich mehrere Tage kränklich. Ist daran die Immunisierung schuld?"  fragt Andreas D. (67)

Hausarzt Dr. Dietmar Reinartz, Haigerloch
Der Facharzt für Allgemeinmedizin achtet in seiner Praxis sehr auf eine gute Impfaufklärung. „Jeder will doch nur das Beste für sich und seine Kinder", sagt er, „und Impfen ist die beste Vorsorgemaßnahme, welche die Medizin zu bieten hat." Sein Argument: Einem extrem geringen Risiko für eine ernsthafte Impfkomplikation steht ein gewaltiger Nutzen gegenüber: vom Verhindern schwerer Akuterkrankungen über die Vorsorge gegen bestimmte Krebsarten bis hin zur Vermeidung von Sterilität (durch Mumps), Behinderung und Tod. „Im besten Fall gelingt es sogar, eine Krankheit weltweit auszurotten."

Es antwortet Dr. Dietmar Reinartz

 

Gewisse körperliche Reaktionen sind nach jeder Impfung möglich und kein Grund zur Sorge. Symptome wie Rötungen, Schwellungen und Verhärtungen um die Einstichstelle zeugen davon, dass sich der Organismus mit dem Impfstoff auseinandersetzt - was ja der Sinn einer Immunisierung ist. Neben diesen lokalen Beschwerden kann für einige Tage auch das Allgemeinbefinden beeinträchtigt sein, weil der Körper mit dem Aufbau der Abwehr beschäftigt ist.
Beispiel Grippeimpfung: Hier berichten Patienten gelegentlich von Fieber, Gliederschmerzen, Frösteln oder Kopfweh - Symptomen also, die einer Grippe ähneln. Leider glauben viele Leute in so einem Fall, die Impfung habe eine Grippe ausgelöst, und entwickeln Vorbehalte gegen die Immunisierung.


Echte Nebenwirkungen extrem selten
Das ist aber falsch. Der Grippeimpfstoff besteht aus abgetöteten Bestandteilen des Virus und kann darum gar keine Infektion bewirken. Es gibt keinen Impfstoff, der die Krankheit auslöst, gegen die er schützen soll. Mancher - darunter der gegen Masern - enthält zwar lebende Erreger, diese sind aber bei modernen Impfstoffen so stark abgeschwächt, dass eine Infektion ausgeschlossen ist. Selbst die sogenannten Impfmasern, die gelegentlich auftreten, sind mit den schweren, echten Masern nicht gleichzusetzen - und zum Beispiel nicht ansteckend.
Wirkliche Impf-Nebenwirkungen sind sehr selten, und meist handelt es sich um Allergien. Alles in allem ist der Nutzen einer Impfung ungleich viel höher als das Risiko. Es existiert keine medizinische Maßnahme, die so effektiv schweres Leid, Behinderung und Tod verhindert.


Riskante Impfmüdigkeit
Der Erfolg des Impfens ist so groß, dass viele Menschen gar keine Vorstellung mehr haben, welch wichtige Rolle ein guter Impfschutz spielt. Etliche Krankheiten, die früher als Geißeln der Menschheit galten, kommen dank Impfung bei uns kaum noch vor oder sind, wie die Pocken, ausgerottet. Erinnern Sie sich nur an die Schluckimpfung, mit der die Kinderlähmung - auch Polio genannt - in den 60er-Jahren zurückgedrängt wurde. Bis dahin waren Kinder mit Gehbehinderung und sogar Patienten, die mit einer eisernen Lunge ihr Leben lang beatmet werden mussten, keine Seltenheit.
Es wäre ein großer Rückschritt, wenn sich die Impfmüdigkeit weiter ausbreitete. Ein sicherer Schutz für alle ist nur bei einer Durchimpfungsrate von etwa 90 Prozent gewährleistet. Sonst kehren Leiden zurück, die wir fast vergessen haben.
Wie die Masern: Eines von tausend Kindern, das daran erkrankt, erleidet eine Gehirnhautentzündung, an der 10 bis 20 Prozent sterben. Etwa jedes dritte Kind bleibt nach der Hirnhautentzündung geistig behindert oder verliert zum Beispiel sein Gehör. Diese Schicksale lassen sich kaum verhindern, weil es gegen diese Viruserkrankung keine gezielte Therapie gibt. Einzig die Impfung hilft, weil sie vorbeugt.
2004 wurden in Deutschland nur 122 Fälle von Masern registriert. 2006 allerdings kam es in Nordrhein-Westfalen zu einem lokalen Ausbruch mit über 1500 Erkrankten in wenigen Wochen. Ein Großteil davon waren Jugendliche, die als Kinder keinen ausreichenden Masernschutz erhalten hatten.

 

Weitere Informationen zum Thema Impfen:


Erstschutz für Kinder ernst nehmen
Viele Eltern fühlen sich unsicher, ob sie ihrem Baby, gerade mal acht Wochen alt, eine Impfung zumuten können - zumal sich eine Spritze gleich gegen mehrere Krankheiten richtet. Empfohlen sind ab dem zweiten Lebensmonat Impfungen gegen Wundstarrkrampf, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, Haemophilus influenzae Typ b (kann zum Beispiel Hirnhautentzündung auslösen), Hepatitis B (Leberentzündung) sowie Pneumokokken (Hirnhaut- oder Lungenentzündung). Doch keine Sorge, der kindliche Organismus kann mit dieser Belastung gut umgehen.
Der Körper ist ohnehin den ganzen Tag mit Immunabwehrreaktionen gegen Erreger beschäftigt, die über Nahrung, Luft oder die Haut eindringen. Da fallen Mehrfachimpfungen kaum ins Gewicht. Die Unannehmlichkeiten einer Impfung sind in der Regel nichts gegen die Leiden, die einem Kind ohne Impfschutz drohen. Wer schon einmal erlebt hat, wie sich ein Kleinkind mit Keuchhusten quält, wird das bestätigen.
Etwa um das erste Lebensjahr herum sind weitere Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln, Windpocken und Meningokokken C (Hirnhautentzündung) vorgesehen. Bei diesen Terminen lässt die Impfbereitschaft leider schon langsam nach: So erhalten fast 94 Prozent der Kinder die erste Masernimpfung, aber nur noch 74 Prozent die zweite. Dabei ist eine vollständige Grundimmunisierung enorm wichtig. Neuerdings empfiehlt die STIKO (ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut in Berlin; www.rki.de/impfen) daher, alle nach 1970 Geborenen gegen Masern zu impfen, wenn der vollständige Impfschutz versäumt wurde.
Die neueste Impfung für Kinder gibt es seit 2008. HPV richtet sich gegen häufige Auslöser von Feigwarzen und Gebärmutterhalskrebs. Die Empfehlung war eine Weile lang in der Diskussion, wurde jedoch von der STIKO bestätigt.

 

Auffrischung nicht vergessen
In der Regel aktualisiert die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut ihre Impfempfehlungen einmal im Jahr (www.rki.de/ impfen). Seit 2010 raten die Experten unter anderem allen Schwangeren zur Grippeimpfungen. Der Grund: Bei ihnen wurde ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe der Grippe beobachtet. Eine wichtige Neuerung betraf eine eventuelle Nachimpfung gegen Masern (siehe: „Erstschutz für Kinder ernst nehmen"; oben).
Auch 2009 ging es um eine Auffrischimpfung. Bis dahin beschränkte sich die neuerliche Immunisierung gegen Keuchhusten (Pertussis) auf Frauen mit Kinderwunsch und Personen, die engen Kontakt mit dem Kleinkind haben. Dies sollte verhindern, dass die Familie das Baby mit dieser lebensgefährlichen Krankheit ansteckt. Seither empfiehlt die STIKO allen Erwachsenen eine Keuchhusten-Impfung. Denn 70 Prozent aller Infektionen betreffen Erwachsene und haben oft wochenlange, schwere Erkrankungen zur Folge.
Es ist bei vielen Erregern normal, dass die Wirkung einer Impfung im Lauf der Zeit nachlässt, etwa bei Wundstarrkrampf (Tetanus), Diphtherie oder Pneumokokken, die gerade bei älteren Menschen schwerste Lungenentzündungen auslösen können. Daher sollten Erwachsene ihren Impfstatus spätestens bei einer Routineuntersuchung wie dem Check-up 35 mit ihrem Hausarzt besprechen. Versäumnisse lassen sich problemlos ausgleichen.

 

Wenn's in fremde Länder geht
Laut Statistik reist jeder zweite Deutsche mindestens einmal im Jahr ins Ausland. Dort drohen andere Krankheiten als zu Hause. Schon am Mittelmeer ist es nicht unwahrscheinlich, mit Gelbsucht - Hepatitis A - in Kontakt zu kommen. Denn sie kann unter anderem durch Mahlzeiten mit Meeresfrüchten, wie Muscheln, übertragen werden. Kaum bekannt ist zum Beispiel auch, dass eine Tollwutimpfung in vielen Ländern, etwa in Teilen der Türkei, wichtig sein kann. Sechs Wochen vor der Abreise sollten Urlauber mit ihrem Hausarzt einen Impfplan zusammenstellen, der auf ihr Ziel und ihre Art zu reisen abgestimmt ist. Gegen einige Krankheiten, wie Hepatitis A, kann man sich kurzfristig noch immunisieren lassen. Einige gesetzliche Krankenkassen erstatten die Kosten bestimmter Reiseimpfungen
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Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin; Foto:W&B/Thomas Rathay

 

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