Pflanzliche Arzneien: Wertvoll, aber verkannt
„Warum bekomme ich pflanzliche Medikamente nicht mehr wie früher vom Arzt auf Rezept verordnet?" fragt Stella K. (45)
Allgemeinmediziner Marc Kuben, Emmendingen
Der Allgemeinmediziner mit der Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren setzt auf pflanzliche
Medikamente: „Meine Patienten fragen gezielt nach diesen Arzneien - heute deutlich mehr als noch vor zehn Jahren, als ich mich niedergelassen habe
Es antwortet: Marc Kuben
Diese Frage stellen mir meine Patienten auch. Tatsache ist, dass im Jahr 2004 alle apotheken-, aber nicht rezeptpflichtigen Medikamente aus der Verordnungsfähigkeit herausgenommen wurden. Das heißt: Der Arzt darf diese Arzneien, zu denen auch pflanzliche Mittel zählen, nicht mehr zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verschreiben. Ziel der Änderung: Patienten sollen mehr Eigenverantwortung übernehmen und angebliche Bagatellerkrankungen in Eigenregie behandeln.
Für viele meiner Patienten war das nur schwer nachzuvollziehen, schließlich helfen ihnen Phytotherapeutika. Die Entscheidung hat dem Ansehen pflanzlicher Arzneien sicher geschadet. Denn in gewisser Weise wurden sie so auf eine Stufe mit Placebos gestellt - mit Mitteln also, die keine Wirkstoffe enthalten.
Dieser Irrglauben kommt auch zum Vorschein, wenn Patienten sagen, sie hätten gegen ihre Beschwerden gerne etwas Sanftes, etwas ohne Nebenwirkungen, und damit
pflanzliche Arzneien meinen. Doch die Mittel enthalten Wirkstoffe und können auch Nebenwirkungen hervorrufen. Ein Beispiel ist Sonnenhut-Extrakt. Er stimuliert das Immunsystem. Wer vorher viel
davon eingenommen hat, reagiert bei einer erneuten Gabe unter Umständen mit einem allergischen Hautausschlag. Daher frage ich meine Patienten immer nach dem früheren Gebrauch, bevor ich Sonnenhut
gegen Erkältungsbeschwerden verschreibe - aber nicht auf einem rosa, sondern einem grünen Rezept.
Für diese Gedächtnisstütze sind viele sehr dankbar, so sehr sogar, dass ich inzwischen genauso viele grüne wie rosa Rezepte brauche. Die Mittel müssen zwar trotzdem selbst bezahlt werden, aber
das grüne Rezept gibt den Patienten die Gewissheit, dass sie in der Apotheke das bekommen, was ich in ihrem Fall für am sinnvollsten halte - mit dem richtigen Wirkstoffgehalt, als Saft, Tropfen
oder Dragees.
Kindern bis zwölf Jahren dürfen noch immer alle pflanzlichen Medikamente verschrieben werden, Erwachsenen dagegen nur wenige. Bei beginnender Demenz beispielsweise sind Ginkgo-Präparate verordnungsfähig: In hohen Dosierungen können sie eine Verschlechterung verhindern. Und seit 1. April dieses Jahres darf bei mittelschweren Depressionen wieder Johanniskraut in höheren Dosierungen verschrieben werden. Diese Umkehr in der Erstattungsfähigkeit wäre auch bei anderen pflanzlichen Arzneien zu wünschen. Schließlich wirken viele sehr gut und helfen, den Verbrauch an herkömmlichen Medikamenten zu verringern.
Das empfiehlt der Experte:
- Magen-Darm-Probleme: Kräutermischung aus Bitterer Schleifenblume, Melisse
und
Pfefferminze
- Gelenkverschleiß: Teufelskralle, Weidenrindenextrakt
- Erkältung: Extrakt aus Schlüsselblume, Sauerampferkraut und Gelbem Enzian
- Husten: Thymian-Präparate
Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin; Foto:W&B/Oliver Kern